Sonntag, 16. Februar 2014

Toyo Shibata - Du bist nie zu alt um glücklich zu sein

Die Güte, die mir andere schenken
spare ich im Herzen auf
nehme davon, wenn ich traurig bin
und werde wieder froh
spart euch ruhig solche Gaben zusammen
der Ertrag ist grösser als jede Rente
TOYO SHIBATA
Wird Ihnen nicht auch immer wieder bewusst, dass wir uns im Verlaufe der Zeit durch Lebensthemen bewegen?

Sind wir Kinder, ist Spielen Trumpf, zumindest war es das früher. Heute setzen wir mehr auf Frühenglisch, Frühchinesisch, Musik und vieles mehr, zwecks Vorbereitung auf ein erfolgreiches Berufsdasein. 
Bei jungen Menschen dreht sich das Leben nicht mehr nur um Ausbildung, sondern vor allem darum, sich zu verlieben, die Liebe so richtig zu erleben und in allen Facetten zu geniessen, auf dass da eventuell mehr draus werde. Braucht ja nicht gleich in Hochzeit und Familienplanung auszuarten, aber wenn es denn so kommen würde, hat auch niemand was dagegen. 
Sind wir um die 30 Jahre jung, haben wir vielleicht bereits selber Kinder oder aber sind die einzigen im Bekannten- und Freundeskreis, die keine haben. Und die Jungmannschaft sorgt stets für viele interessante Themen in einer Diskussionsrunde. 
Dann folgt allmählich und schleichend die Zipperleinszeit. Die Jahre und vor allem auch unser Lebenswandel haben ihre Spuren hinterlassen: Gallensteine, Krampfadern, Rückenschmerzen, Bluthochdruck oder noch schlimmer. Hmmmmm!

So geht es fröhlich (?) weiter und irgendwann kommen unsere Eltern in die Jahre und wir erleben hautnah mit, was es bedeutet oder bedeuten könnte, alt zu werden. Es ist dies nicht einfach, vor allem, weil man vielleicht die nötige Distanz nicht hat, mitfühlend zu bleiben und mehr und mehr ins Mitleiden gerät. Viele eigene Ansätze, Betrachtungsweisen und Lebenskonzepte müssen neu überdacht werden.

Als ich jung war, wusste ich zwar, dass ich eines Tages sterben würde. Mehr noch: ich wusste sogar ganz genau, dass der Tod nicht das Ende meines Daseins bedeutet. Dennoch hatte Tod im Zusammenhang mit diesem ICH, das ich spürte, etwas Abstraktes. Konnte ich heute etwas nicht erledigen, dann vielleicht morgen oder sonst halt nächste Woche. Spielte ja keine Rolle. Die Aussicht auf ein endlos scheinendes Guthaben an Jahren, Monaten, Wochen, Tagen, Stunden führte zu einem nicht sehr bewussten Einsatz des kostbaren Geschenkes LEBEN!

Eines ist sicher: alt zu werden; besser gesagt: alt zu sein braucht viel Kraft, viel Mut und eine Riesenportion Geduld. Alter ist nichts für Feiglinge. Die Kinder, wenn man denn welche hat, sind noch immer voll berufstätig und haben ihr eigenes Leben, aber man selber wird nicht mehr gebraucht. Im Gegenteil; plötzlich braucht man selber überall und immer mehr Hilfe. "Was für einen Sinn hat mein Dasein jetzt noch", könnte man sich dann vielleicht fragen. Viele unserer liebsten Freunde werden vielleicht ihren Lebenskreis schon beendet haben. Es gilt, mit Verlustängsten umzugehen. Man trifft sich öfter auf Beerdigungen statt auf Hochzeiten. Die überschäumende Freude der Jugend wird durch Wehmut abgelöst. Wir müssen loslassen lernen, nicht zuletzt all die Träume, die wir vielleicht aus Angst nicht in die Tat umgesetzt haben.

Gestern bin ich auf ein wunderbares Buch gestossen, das ich sehr empfehlen kann. Geschrieben wurde es von Toyo Shibata, einer Japanerin, welche 102 Jahre alt wurde. Ihren Durchbruch als Autorin hatte sie mit 100 Jahren. Da sie mit über 90 Jahren ihr geliebtes Hobby - den Japanischen Tanz - wegen Rückenschmerzen aufgeben musste, verlagerte sie sich auf das Schreiben von Haikus. Das sind Gedichte in einer speziellen Versform mit abwechselnd 5, 7 und wieder 5 Lauteinheiten .... sehr anspruchsvoll. Ursprünglich im Selbstverlag veröffentlicht eroberte Toyo's Buch die Herzen der Japaner im Sturm und verkaufte sich innerhalb weniger Monate fast zwei Millionen Mal.

Die Gedichte entstanden meist abends im Bett oder vor dem Fernseher. Toyo machte sich mit Bleistift Notizen zu den Themen, die sie bewegten. Anschliessend schrieb und feilte sie so lange, bis sie den Eindruck hatte, nichts mehr verbessern zu können. So brauchte sie für ein Gedicht mindestens eine Woche. Ihre Gedichte haben sie gelehrt, dass das Leben niemals nur schwer und traurig ist. Lassen wir uns von Ihr ein wenig inspirieren:


Wenn ich einsam bin

Wenn ich einsam bin
fange ich Sonnenstrahlen ein
die durch den Türspalt fallen
mit meiner Hand
und reibe sie mir
immer wieder ins Gesicht.

Ihre Wärme ist die
Wärme meiner Mutter
Mama, flüstere ich
wir halten durch
und rapple mich hoch

oder


Massage-Gutscheine

Ein paar Zettelchen gefunden
in einem alten Portemonnaie
15 Minuten Schultermassage
für Mama und Papa
gültig bis Dezember 1931
Ken'ichi

Ein Päckchen Gutscheine
aus japanischem Papier
ausgeschnitten von meinem Sohn
in seiner Grundschulzeit
Ob ich sie jetzt noch nutzen kann?

"Du bist nie zu alt um glücklich zu sein" .... ein Buch, das man immer wieder zur Hand nimmt und in keinem Haushalt fehlen sollte. Zarte Texte mit unglaublichem Tiefgang, sehr berührend und ein gutes Geschenk für Menschen, die einem ans Herz gewachsen sind. Ich habe bereits ein Exemplar für jemand ganz Besonderen gekauft und wüsste auf Anhieb noch mindestens 10 potentielle Empfänger. Und Sie?